In der originellen Tastenmusik von Rodion Schtschedrin (*1932) verbindet sich der übersprühende Ideenreichtum des intuitiv komponierenden Tonkünstlers mit dem profunden musikhistorischen Wissen des Kompositionsprofessors. Seine 24 Präludien und Fugen (1966/70) und das Polyphone Spielheft (1972) treten ganz bewusst in die große Tradition polyphoner Klavierzyklen, allen voran das Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach. Zugleich zeugen beide Werke Schtschedrins von dessen individueller kompositorischer Handschrift. Längst konnten sie sich in der modernen Klavierliteratur etablieren. Die russische Musikausbildung stellt sie sogar gleichberechtigt neben Bachs pädagogische Tastenmusik, Hindemiths Ludus tonalis und Schostakowitschs 24 Präludien und Fugen.
Die vorliegende Arbeit nimmt eine detaillierte Untersuchung der Schtschedrinschen Präludien und Fugen vor, die durch zahlreiche Abbildungen, Notenbeispiele und geeignete Vergleichsanalysen sinnvoll unterstützt wird. Eine kompakte Gattungsgeschichte, welche die Entwicklung von Präludium und Fuge in übersichtlicher und gut nachvollziehbarer Weise darstellt, verschafft dem Analyseteil eine fundierte musikhistorische Tiefendimension. Die abschließende Standortbestimmung zeigt, dass Schtschedrins polyphone Klavierzyklen eine kreative kompositorische Symbiose aus Tradition und Avantgarde eingehen.